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Die Hoffnung auf eine einfache, schnelle Diagnose von Endometriose ist groß. Kein invasiver Eingriff mehr, kein jahrelanges Warten auf eine Bestätigung – einfach Speichel abgeben oder eine Blutprobe einreichen, und wenig später liegt das Ergebnis vor? Verschiedene Anbieter werben mittlerweile mit genau diesem Versprechen.
Aber wie verlässlich sind diese neuen Tests wirklich? Was sagen wissenschaftliche Studien und Fachgesellschaften dazu?
Wir werfen einen kritischen Blick auf aktuelle Entwicklungen – und fassen den aktuellen Stand zusammen.
Warum ist die Diagnose von Endometriose so schwierig?
Endometriose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle wächst. Die Symptome reichen von starken Menstruationsschmerzen über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr bis hin zu Verdauungsproblemen und unerfülltem Kinderwunsch.
Obwohl die Krankheit sehr häufig ist (jede zehnte menstruierende Person ist betroffen), dauert es im Schnitt 7,5 Jahre bis zur Diagnose. Das liegt vor allem an:
- unspezifischen Symptomen, die leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden,
- fehlender Aufklärung – sowohl in der Bevölkerung als auch im medizinischen Alltag,
- und daran, dass eine sichere Diagnose bislang nur operativ gestellt werden kann – durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) mit histologischer Sicherung.
Zum letztgenannten Aspekt sollte aber ergänzt werden, dass entsprechend geschulte Ärzt*innen mit ausreichend Zeit in der Sprechstunde in vielen Fällen eine weitreichende Diagnostik durch spezifische Anamnesegespräche und eine gezielte gynäkologische Untersuchung inklusive vaginalem Ultraschall durchführen können.
Der ENDO-Speicheltest: MicroRNA als Schlüssel?
In unserem früheren Blogbeitrag haben wir bereits über den sogenannten ENDO-Test® berichtet. Dabei handelt es sich um einen Speicheltest, bei dem MicroRNA-Moleküle im Speichel analysiert werden. Diese kleinen Botenstoffe sind bei Endometriose-Patientinnen teilweise verändert – und könnten somit als diagnostische Marker dienen.
Eine französische Studie zeigte folgende Ergebnisse:
- Sensitivität: 96,7 % (von den operativ gesicherten Fällen hatten 96,7 % ein positives Testergebnis)
- Spezifität: 100 % (alle nicht Betroffenen hatten ein negatives Testergebnis)
Die Probe kann zu Hause entnommen werden, das Ergebnis liegt nach etwa zwei Wochen vor.
Aber:
- Die Studie wurde nur an 200 symptomatischen Personen durchgeführt.
- Bisher gibt es keine unabhängigen Validierungsstudien.
- Es ist unklar, ob der Test auch bei asymptomatischen Verläufen oder Adenomyose zuverlässig ist.
- Der Test ist eine Selbstzahlerleistung (ca. 799 €).
- Fachgesellschaften wie die AGEM empfehlen ihn nicht zur Anwendung im klinischen Alltag.
Bluttests: Viele Marker – wenig Sicherheit
Auch Bluttests zur Endometriose-Diagnostik sind in der Entwicklung. Verschiedene Biomarker wurden untersucht:
- Tumormarker: CA 125, CA 19-9
- Entzündungsmarker: IL-6, TNF-α
- Autoantikörper: z. B. antiendometriale Antikörper
- Genetische Marker: MicroRNA, zellfreie DNA
Die große Cochrane-Analyse von 2016 zeigt jedoch: Kein einzelner Blutmarker ist ausreichend spezifisch oder sensitiv, um eine Endometriose sicher zu erkennen oder auszuschließen【Nisenblat et al.】.
Ein Fallbericht von Psilopatis (2025) zeigt zudem die Risiken bei Verzicht auf weiterführende Untersuchungen:
Eine Patientin erhielt erhöhte Blut- und Speichelwerte und verzichtete auf eine weitere Abklärung. Zwei Jahre später wurde ein Eierstockkrebs entdeckt, der möglicherweise auf dem Boden einer Endometriose entstanden war.
Australischer Bluttest: Durchbruch mit Fragezeichen?
Ein neues Projekt aus Australien macht derzeit international Schlagzeilen:
Der PromarkerEndo-Test wurde an mehr als 700 Patientinnen erprobt und basiert auf der Messung von zehn spezifischen Proteinen im Blut. Er soll eine Diagnose ermöglichen, bevor eine Operation notwendig wird.
Geplant ist eine Markteinführung in Australien Mitte 2025, später auch international.
Auch hier gilt:
- Noch fehlen unabhängige Studien,
- noch gibt es keine Bewertung durch Fachgesellschaften,
- und es bleibt unklar, ob der Test bei allen Endometriose-Formen anschlägt.
Unsere Einschätzung
Dass die Diagnose so lange dauert, liegt nicht allein am Fehlen einfacher Tests – sondern an einem mangelnden Bewusstsein für die Erkrankung.
Viele Betroffene halten starke Regelschmerzen für normal. Gleichzeitig erkennen Ärztinnen und Ärzte die Symptome nicht oder ordnen sie falsch ein. Darüber hinaus fehlt es an Schulung und zeitlichen Kapazitäten für eine spezialisierte, nicht invasive gynäkologische Anamnese und Untersuchung. Mehr Aufklärung, bessere Ausbildung und ernsthaftes Zuhören im medizinischen Alltag sind daher ebenso wichtig wie technische Fortschritte in der Diagnostik.
Unser Fazit
Blut- und Speicheltests zur Diagnostik von Endometriose sind spannende Entwicklungen, die in Zukunft die Abklärung vereinfachen könnten. Derzeit sind sie jedoch keine Alternative zur fundierten ärztlichen Diagnostik – sondern allenfalls ein ergänzendes Instrument.
Tests können:
- Hinweise liefern,
- den Verdacht erhärten,
- Forschung vorantreiben.
Tests können NICHT:
- eine klinische Untersuchung ersetzen,
- eine Diagnose sichern,
- komplexe Verläufe bewerten.
Unsere Empfehlung
- Lass dich bei Beschwerden umfassend ärztlich untersuchen und ggf. in eine spezialisierte Endometriose-Einrichtung überweisen
- Nutze Tests nur nach Beratung – und nicht als Ersatz für die Diagnostik.
- Bleib kritisch gegenüber kostenpflichtigen Angeboten ohne belastbare Studienlage.
- Informiere dich über seriöse Quellen – z. B. auf unserer Webseite oder in unserem Beratungsangebot.
Quellen (Auswahl):
- Psilopatis I. (2025), Die Rolle von Blut- und Speicheltests, Frauenheilkunde up2date
- Bendifallah S et al. (2022), MicroRNA Signature for Endometriosis, J Clin Med
- Dabi Y et al. (2023), Salivary piRNA in Endometriosis, Eur J Obstet Gynecol
- Nisenblat V et al. (2016). Blood biomarkers for the non-invasive diagnosis of endometriosis. Cochrane Database Syst Rev 2016(5): CD012179.
- AGEM (2023), Stellungnahme zum ENDO-Test