Endometriose und Arbeit

Die durchschnittliche Lebensarbeitszeit in Deutschland beträgt 40 Jahre. Viele erwerbstätige Menschen mit Endometriose erleben Phasen in dieser Zeit, in denen die Erkrankung die Leistungsfähigkeit stark einschränkt oder sogar die Arbeitsanforderungen nicht zu bewältigen sind. Was wissen wir über den Lebensbereich „Arbeit“ und Endometriose? Welche Rechte gibt es für Betroffene? Und wie kann die Arbeit bedürfnisorientiert gestaltet werden?

Die Bedeutung im Arbeitsleben

Laut einer repräsentativen Umfrage sind rund 30 % der europäischen Arbeitnehmenden einer chronischen Krankheit betroffen [1]. Der Arbeitsalltag stellt diese Erwerbstätigen vor besondere Anforderungen. Vermehrte Fehlzeiten, Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder das Krankheitsmanagement sind für Betroffenen alltäglich. Und noch immer führen Krankheiten zu Brüchen in der Erwerbsbiografie. Damit sind reduzierte Arbeitszeiten, Jobwechsel, Phasen der Arbeitslosigkeit oder die Erwerbsminderung gemeint. All diese Aspekte machen deutlich, wie groß der Bedarf an entsprechenden Maßnahmen für die Passung zwischen Arbeitsverhältnissen und individueller Erkrankung ist.

Was beschäftigt speziell Endometriose-Betroffene im Arbeitsalltag?

Diese Frage konnte lange Zeit für Deutschland nicht beantwortet werden, daher wurde im Frühjahr 2022 eine explorative Umfrage durch die Endometriose-Vereinigung mit 2.500 Betroffenen durchgeführt. Das Ziel war es, die Situation von erwerbstätigen Betroffenen aufzuzeigen und daraus Erkenntnisse für zukünftige Forschung und gesellschaftliche Handlungsfelder zu gewinnen.

Die Umfrage zeigt deutlich, dass für viele Betroffene ihre Erwerbstätigkeit Endometriose-Symptome hervorruft oder sogar verstärkt. Mehr als 40 % der Teilnehmenden gaben an, dass sie aufgrund ihrer Symptome stark oder sehr stark in ihrem Arbeitsalltag, in ihrer Leistungsfähigkeit und beim Ausführen berufsbezogener Tätigkeiten beeinträchtigt waren. Hinzu kommt, dass sich bei fast der Hälfte der befragten Personen Endometriose auch auf die finanzielle Sicherheit auswirkte. Mehr als 70 % gaben an, dass sie in den letzten sechs Monaten aufgrund ihrer Endometriose krankgeschrieben waren. Gleichzeitig lässt sich allerdings erkennen, dass durch eine flexible Gestaltung der Arbeitsbedingungen (z. B. Arbeiten im Home-Office, flexible Arbeitszeiten) die Beschwerden in einem gewissen Maß verringert oder vermieden werden können [2].

 

Ebenso stellt sich die Frage:

Was beschäftigt Arbeitgebende, die Endometriose-Betroffenen in ihrem Unternehmen beschäftigen.

Im Herbst 2023 hat die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. daher in Zusammenarbeit mit Dr. Cook von der University of Amsterdam und Prof. Dr. Zill von der Hochschule Mittweida eine Arbeitgeber*innen-Umfrage zum Umgang mit Endometriose in Organisationen durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich 592 Vertreter*innen verschiedenster Branchen (z.B. Gesundheitswesen, Sozialwesen, Handel und Konsum, Bildung, Dienstleistungen) Unternehmensgrößen und Positionen (z.B. Personalbereich, Geschäftsführung, Öffentlichkeitsarbeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz). Etwa 80% der Teilnehmenden berichten, dass in ihrer Organisation Menschen mit einer chronischen Erkrankung arbeiten - 64% mit Endometriose. Dem überwiegenden Teil der Befragten ist Endometriose bekannt ist und weiß darüber Bescheid, dass Endometriose mit erheblichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit sowie negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit einhergehen kann.

Rechtliche Grundlagen

Ein Ansatz im Berufsleben als Endometriose-Betroffene bestimmte Rechte zugesprochen zu bekommen, wie beispielsweise ergonomische Büroausstattung oder Zusatzurlaub, ist die förmliche Feststellung des Grades der Behinderung (GdB).

Sofern aus gesundheitlichen Gründen eine berufliche Tätigkeit nicht mehr dauerhaft ausgeführt werden kann oder die Erwerbsfähigkeit gefährdet ist, können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragen werden. Diese sind im Bundesteilhabegesetz (§49 SGB IX) geregelt.

Die Antragstellung erfolgt durch die versicherte Person beim Leistungsträger (zuständiger Rentenversicherungsträger oder Agentur für Arbeit).

Voraussetzung für die Antragsstellung ist die Erforderlichkeit der Leistungen, um die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Leistungen zur beruflichen Teilhabe können in Ergänzung zu einer vorausgehenden medizinischen Rehabilitation in Betracht gezogen werden.

Mitglieder der Endometriose-Vereinigung können unser sozialrechtliches Beratungsangebot in Anspruch nehmen.

Betriebliche Maßnahmen

Für die Gesundheit in Unternehmen sind die Sozialversicherungsträger (Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung) zuständig. In deren Aufgabenbereiche fallen viele Aspekte, die einen Arbeitsalltag für chronisch kranke Menschen erleichtern können.

  • Die Krankenversicherung ist vor allem für den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen verantwortlich. Der Fokus dieser Maßnahmen liegt auf Arbeitsgestaltung, Arbeitsorganisation und Führung. Insbesondere Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle für den Umgang mit einer Erkrankung. Kann mit diesen Personen offen über Probleme gesprochen werden? Wie gestalten diese die Einbettung ins Team oder was für die Akzeptanz von vermehrten Fehlzeiten getan? Das Thema „Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen“ sollte daher in Führungskräftetrainings gesetzt werden, denn der zwischenmenschliche Umgang und die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz sind ein großer unterstützender Faktor.

  • Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen (Unfallversicherung) helfen den Betrieben dabei, Arbeitsbedingungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung) und geeignete Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Durch eine Gefährdungsbeurteilung ist es z. B. möglich, dass Maßnahmen für spezielle Beschäftigtengruppen abgeleitet werden. Darunter zählt beispielsweise die Anschaffung höhenverstellbarer Tische oder Sattelstühle oder die Umgestaltung Arbeitsabläufen. Für Endometriose-Betroffene ist eine flexible Gestaltung von Arbeitszeit sowie des Arbeitsortes (wenn möglich Homeoffice) ein Faktor, der zur besseren Vereinbarkeit zwischen der Erkrankung und der Berufstätigkeit führen kann.

  • Die Rentenversicherung unterstützt beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Es ist ein Verfahren in Unternehmen, um Beschäftigte mit längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten (über sechs Wochen in 12 Monaten) eine Wiederaufnahme der Arbeit zu ermöglichen. Mit dem BEM soll Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneute Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden. Viele Endometriose-Betroffene habe Erfahrungen mit Wiedereingliederungsverfahren wie dem Hamburger-Modell.

Greifen all diese Ansätze ineinander so ist vom betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) die Rede. Zukünftig ist es wünschenswert, dass Angebote, die in diesem Rahmen stattfinden, verstärkt eine bedingte Gesundheit von Beschäftigten berücksichtigen. In kleinen Unternehmen sind solche Strukturen meist nicht vorhanden, es kann aber viel durch den direkten und persönlichen Kontakt sowie unbürokratische Wege geholfen werden.

Manchmal ist es notwendig, die persönliche Situation im beruflichen Kontext darzulegen und ein direktes Gespräch zu suchen. Geeignete Ansprechpersonen, die der Schweigepflicht unterliegen, sind in Unternehmen u. a. der Betriebsräte, Gleichstellungsbeauftragte/Frauenvertretung, Schwerbehindertenvertretung oder Betriebsärzt*innen.

Individuelle Maßnahmen

Viele Maßnahmen, die Betroffene ergreifen, um sich Linderung von den Symptomen der Erkrankung zu verschaffen, können auch in den Arbeitsalltag übertragen werden. Die explorative Umfrage der Endometriose-Vereinigung zeigt: Alltagsstrategien von Betroffenen durchziehen notwendigerweise alle Lebensbereiche und werden auf das Arbeitsumfeld ausgeweitet, Hilfsmittel wie Wärmeanwendungen oder Schmerzmittel/Medikamente sind immer griffbereit und werden auf der Arbeit deponiert. Darüber hinaus wird das Einlegen von Pausen und die Reduktion von Stress als übergeordnete Ratschläge gegeben [2].

Auch im Lebensbereich „Arbeit“ gilt, das Finden eines individuellen Umgangs bzw. Strategie mit der Erkrankung ist notwendig. Doch es gibt wichtige Unterstützungsfaktoren im betrieblichen Kontext, die unabdingbar sind. Dazu zählen eine offene Gesprächskultur sowie die flexible Gestaltung von Arbeitszeit- und Ort.

Referenzen

  1. Eurostat (2019). People reporting a longstanding health problem or a basic activity difficulty by sex and age.

  2. Endometriose-Vereinigung (2023). Endometriose und Arbeit. Eine explorative Umfrage. EVD: Leipzig.