Endometriose mittels Speicheltest diagnostizieren?

Beim 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in München wird am 13.10.2022 ein Test vorgestellt, mit dem Endometriose mittels einer Speichelprobe diagnostiziert wird. Das klingt nach einer Möglichkeit, die zum Teil extrem langen Diagnosezeiträume zu verkürzen.

Wir haben mit dem Anbieter des Endotest® Diagnostic ein Interview geführt und unsere zahlreichen Fragen gestellt.

Wichtig: Als gemeinnütziger Verein und als neutrale und unabhängige Gemeinschaft von Betroffenen arbeiten wir explizit nicht mit Unternehmen aus dem pharmazeutischen Bereich zusammen. Es gibt jedoch Entwicklungen und Neuerungen, die von einzelnen Unternehmen hervorgebracht werden, die, unseres Erachtens, möglichst vielen Menschen bekannt sein sollten, da sie gegebenenfalls einen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit haben können. Wir ziehen keinen Nutzen aus der Veröffentlichung der nachfolgenden Informationen. Jede und jeder soll und muss sich selbst eine Meinung bilden.

Was ist der Endotest® Diagnostic und wie funktioniert er?

Mit dem neuen Endotest® Diagnostic kann schnell, risikofrei und hochgenau bestimmt werden, ob eine Endometriose vorliegt. Eine einfache Speichelprobe genügt und in ca. zwei Wochen liegt das Ergebnis vor. So kann zum ersten Mal die durchschnittliche Zeit bis zur Diagnose von mehreren Jahren auf wenige Tage verkürzt werden.

Der Test kombiniert dafür die Hochdurchsatz-Nukleinsäure-Sequenzierung mit künstlicher Intelligenz: Aus einer einfachen Speichelprobe werden die Konzentrationen von 109 verschiedenen MicroRNA-Molekülen bestimmt und aus den Konzentrationsverhältnissen ermittelt, ob eine Endometriose vorliegt. Dabei kann diese Technologie alle Arten von Endometriose mit einer Zuverlässigkeit von nahezu 100 % erkennen. Der Test wurde in einer der größten klinischen Studien, die bislang auf diesem Gebiet durchgeführt wurde, validiert.

Mit dem neuen Endotest® Diagnostic kann demnach eines der Hautprobleme im Umgang mit Endometriose behoben werden: Eine schnellere Diagnose ermöglicht schnelleren Zugang zu Therapien, reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Chronifizierung der Schmerzen, optimiert Kinderwunsch-Therapien und kann damit die Lebensqualität betroffener Frauen verbessern.

Zur Technologie, siehe unten*

Woher kam der zündende Gedanken, warum gibt es den Test erst jetzt?

Bislang dauert es im Durchschnitt acht Jahre, bis die Diagnose „Endometriose“ gestellt wird. Frauen, die an Endometriose leiden, mussten daher bislang oft eine mehrjährige „diagnostische Odyssee“ mit unzähligen Arztbesuchen und Untersuchungen durchlaufen bis eine Diagnose gestellt werden konnte, häufig dann erst in Verbindung mit einer OP. Um eine einfache, niederschwellige Testmöglichkeit für Frauen anbieten zu können, wird von verschiedenen Forschungseinrichtungen seit vielen Jahren an Biomarkern gearbeitet, die eine Endometriose schnell diagnostizieren sollten. Leider war jedoch die Genauigkeit der bislang identifizierten Biomarker nicht zufriedenstellend. Erstmals ist es dem französischen Unternehmen Ziwig nun gelungen ein auf MikroRNA basiertes hochgenaues Testverfahren zu entwickeln. Die diesem zugrundeliegenden Methoden sind erst seit wenigen Jahren verfügbar.

Wer war für die Entwicklung des Tests verantwortlich und waren Ärzte mit eingebunden?

Der Endotest® Diagnostic wurde von einem interdisziplinären Team des französischen Unternehmens Ziwig in Kooperation mit sechs französischen Endometriose-Zentren entwickelt: Ein Team mehrerer Ärzte mit dem Schwerpunkt „Endometriose“ arbeitete dabei mit Spezialisten für künstliche Intelligenz, Molekularbiologen sowie Laborärzten zusammen.  

Wird der Test noch weiterentwickelt?

Der Test wurde mit dem Ziel entwickelt, die Diagnose einer Endometriose schnell, einfach und sicher zu ermöglichen. Dieses Ziel wurde mit dem Endotest® Diagnostic erreicht. Der Test ist somit „fertig“. Aktuell werden Studien durchgeführt, die zum Ziel haben den Test auch für Frauen unter 18 Jahren zugänglich zu machen. Parallel wird untersucht, inwiefern sich das MikroRNA-Vefahren auch zur Diagnose anderer Erkrankung nutzen lässt.

Ist der Test überprüft und anerkannt?

Ja. Der Endotest® Diagnostic wurde in der größten klinischen Studie, die bislang auf diesem Gebiet durchgeführt wurde validiert. Er verfügt über eine CE-IVD Markierung und kann somit in der EU eingesetzt werden.

Wie valide ist der Test, kann es zu falsch positiven oder falsch negativen Testergebnissen kommen?

Der Endotest® Diagnostic ermöglicht die Früherkennung aller Formen der Endometriose, selbst der komplexesten, mit einer Zuverlässigkeit von nahezu 100 % (Sensitivität von 97%, Spezifität von 100%). Wie jeder medizinische Test bzw. Eingriff bietet jedoch auch der Endotest® Diagnostic keine absolute Sicherheit. In seltenen Fällen kann es daher ein falsch-negatives und in noch selteneren Fällen ein falsch-positives Testergebnis geben. Der Test stellt jedoch im Vergleich zu den bisherigen Methoden eine ganz erhebliche Verbesserung hinsichtlich der diagnostischen Qualität dar.

Werden Ärzte darüber informiert, dass es den Test gibt?

In dieser Woche werden alle deutschen gynäkologischen Praxen und Zentren, sowie Kinderwunsch-Zentren angeschrieben. Neben der Ankündigung auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG-Kongress) am 12. Oktober, werden wir regelmäßig zu Webinaren einladen, sodass möglichst alle gynäkologischen Praxen und Zentren über den Test informiert sind.

Ersetzt der Test eine Laparoskopie oder muss dennoch operiert werden?

Wir sind davon überzeugt, dass der Endotest® Diagnsotic das Hauptinstrument zur Diagnose einer vorliegenden Endometriose werden kann und insofern die Laparoskopie als diagnostisches Instrument ersetzen kann.

Eine Laparoskopie ist jedoch für die Therapie bei bestimmten Endometriosefällen ein wichtiges Instrument. Ob ein Eingriff erforderlich ist oder nicht, bespricht die betroffene Frau mit ihrer Gynäkologin / ihrem Gynäkologen. Das kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn konservative Behandlungen nicht ausreichen, um die Schmerzen zu lindern. In solchen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden, um die Endometriose-Läsionen zu entfernen und Endometriose-bedingte anatomische Anomalien zu korrigieren.

Wichtig: Die Leistung des Endotest® Diagnostic Speicheltests übertrifft die Leistung aller herkömmlichen diagnostischen Untersuchungen. Endotest® Diagnostic ist jedoch nicht dazu bestimmt, die bildgebende Diagnostik des Beckens (MRT, Ultraschall) zu ersetzen. Die bildgebende Diagnostik bleibt auch nach der Diagnose für die Beschreibung der Läsionen, ihre Kartierung, ihre Klassifizierung und für die Erstellung der Prognose der Krankheit unerlässlich.

Gehört der Test zukünftig standardmäßig zur Diagnostik und ist geplant, ihn in die Leitlinie aufzunehmen?

Durch die Vorteile des Endotest® Diagnostic sind wir davon überzeugt, dass der Test das Hauptinstrument zur Diagnose einer Endometriose werden wird und die Laparoskopie dann mit therapeutischem Fokus zum Einsatz kommt. Wir stehen mit den Verfassern der Leitlinien in Kontakt, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden und hoffen, dass der Test zeitnah in die Leitlinien aufgenommen werden kann.

Was müssen Frauen machen, wenn sie sich auf Endometriose testen lassen wollen?

Frauen mit einem Verdacht auf eine Endometriose sollten mit ihrer Gynäkologin / ihrem Gynäkologen besprechen, ob Sie den Endotest® Diagnostic durchführen lassen sollen. Um den Test machen zu können, ordert die gynäkologische Praxis ein Testkit bei Eluthia. Dann wird lediglich eine Speichelprobe entnommen und zu Eluthia geschickt. Um ein niederschwelliges Testangebot zu ermöglichen, ist die gynäkologische Praxis der Betroffenen der richtige Ort um schnell eine Endometriose zu diagnostizieren bzw. auszuschließen.

Wer bezahlt den Test?

Aktuell handelt es sich beim der Endotest® Diagnostic, wie bei den meisten neu entwickelten Tests, um eine sogenannte individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Der Test muss also prinzipiell momentan noch von den Frauen selbst gezahlt werden. Wir arbeiten jedoch daran, dass der Test in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wird. Dies kann jedoch erfahrungsgemäß dauern. Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr, parallel zu anderen europäischen Ländern, in denen die Kassenerstattung angestrebt wird, ein großen Schritt in Richtung Erstattung machen können.

Welche Möglichkeiten gibt es, dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen?

Bei Verdacht auf Vorliegen einer Endometriose kann die betreuende Gynäkologin / der betreuende Gynäkologe eine Empfehlung auf Kostenerstattung verfassen. Die Frauen können dann den Antrag bei Ihrer Krankenkasse einreichen, die dann wiederum ganz individuell entscheidet, ob sie die Kosten erstattet oder nicht. Frauen sollen auf jeden Fall mit ihren Gynäkolog*innen über diese Möglichkeit sprechen auch wenn aktuell nicht garantiert werden kann, dass die Krankenkasse die Testkosten übernimmt bis der Test Teil des Leistungskatalogs der Krankenkassen wird.

Wie setzen sich die Kosten von 800 Euro für den Test zusammen?

Die Gewinnung der MikroRNA aus der Probe, die Konzentrationsmessung der einzelnen Mikro RNAs mit Hilfe der Nukleinsäure-Sequenzierung und die die Entwicklungskosten der künstlicher Intelligenz zur Befundung sowie die Testlogistik machen annährend 90 % der Testkosten aus.

Was passiert, wenn der Test positiv ist?

Wenn der Test positiv ist, kann mit sehr hoher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine Endometriose vorliegt. Mit der Diagnose sind verschiedene Therapiemöglichkeiten gegeben, die mit der Gynäkologin / dem Gynäkologen und ggf. mit Spezialist*innen der deutschen Endometriosezentren besprochen werden müssen.

Und was passiert, wenn der Test negativ ist, die Frauen aber dennoch starke Schmerzen und andere Symptome haben?

Wenn der Test negativ ist, ist mit hoher Sicherheit davon auszugehen, dass eine Endometriose nicht vorliegt. Das weitere Vorgehen – auch zum Ausschluss anderer Ursachen für die Symptome – muss mit der Gynäkologin / dem Gynäkologen besprochen werden.

Kann aufgrund des Testergebnisses die Visanne, die aktuell nur bei der Diagnose Endometriose von den Kassen bezahlt wird, ebenfalls verschrieben werden?

Der Endotest® Diagnsotic ist ein diagnostischer Test. Dadurch stehen verschiedene Therapien zur Verfügung. Welche Therapien in dem jeweiligen individuellen Fall zu empfehlen sind, bespricht die Gynäkologin / der Gynäkologe / mit der Betroffenen.

*Zu der Technologie:

Die Entwicklung eines nicht-invasiven Tests für die Diagnose von Endometriose ist seit vielen Jahren Gegenstand intensiver medizinischer Forschung. In den letzten Jahrzehnten wurden mehr als 100 Biomarker untersucht. Unter ihnen hat sich eine erstmals 1993 beschriebene Klasse von Molekülen, nämlich die MicroRNAs, als vielversprechende Option erwiesen, die durch eine wachsende Zahl von Studienbelegen über Tumore und neurodegenerative Erkrankungen gestützt wird. MicroRNAs sind kleine, nicht-codierende RNAs. Sie sind an der Genexpression beteiligt: Wenn eine MicroRNA an ihr Ziel, eine bestimmte Boten-RNA, andockt, blockiert oder stimuliert sie deren Umwandlung in Proteine und/oder induziert ihren Abbau. MicroRNAs werden auch durch verschiedene Transportstrukturen in die extrazelluläre Umgebung freigesetzt, die sie vor den im Blutkreislauf vorhandenen Ribonukleasen schützen und ihnen eine bemerkenswerte Stabilität verleihen. Diese zirkulierenden MicroRNAs finden sich in unterschiedlicher Menge in Körperflüssigkeiten (Blut, Urin, Muttermilch, Tränen, Speichel usw.). In den letzten Jahren mehren sich Hinweise darauf, dass MicroRNAs zu den pathophysiologischen Mechanismen der Endometriose beitragen. Es wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der Dysregulation bestimmter MicroRNAs und der Entwicklung von Endometrioseherden nachgewiesen.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Machine learning algorithms as new screening approach for patients with endometriosis. Bendifallah S & al. Sci Rep. 2022 Jan 12;12(1):639. doi: 10.1038/s41598-021-04637-2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8755739/pdf/41598_2021_Article_4637.pdf

Clues for Improving the Pathophysiology Knowledge for Endometriosis Using Serum Micro-RNA Expression. Dabi Y & al. Diagnostics (Basel). 2022 Jan 12;12(1):175. doi: 10.3390/diagnostics12010175. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8774370/pdf/diagnostics-12-00175.pdf

Salivary MicroRNA Signature for Diagnosis of Endometriosis. Bendifallah & al. J Clin Med. 2022 Jan 26;11(3):612. doi: 10.3390/jcm11030612. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8836532/pdf/jcm-11-00612.pdf

MicroRNome analysis generates a blood-based signature for endometriosis. Bendifallah S & al. Sci Rep. 2022 Mar 8;12(1):4051. doi: 10.1038/s41598-022-07771-7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8902281/pdf/41598_2022_Article_7771.pdf

Endometriosis Associated-miRNome Analysis of Blood Samples: A Prospective Study Bendifallah S & al. Diagnostics. 2022; 12(5):1150. https://doi.org/10.3390/diagnostics12051150