Sommerinterview mit
Stefan Schwartze

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"Man kann und darf die Symptome nicht abtun als „übliche Menstruationsbeschwerden“, [...] der ganze Gesundheitsbereich muss stärker sensibilisiert werden."

1. Warum engagieren Sie sich für die Interessen von Endometriose-Betroffenen?

Weil die Krankheit Endometriose noch immer nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie aufgrund der Vielzahl an betroffenen Mädchen und Frauen haben müsste. Nicht erst seit meiner Berufung zum Patientenbeauftragten der Bundesregierung weiß ich, dass viele Frauen auf die richtige Diagnose durchschnittlich sieben bis zehn Jahre warten müssen und ihre Zeit damit verbringen, Gehör zu finden – auch bei Fachmediziner:innen. Nach wie vor ist die Ursache der Erkrankung unbekannt. Therapien beschränken sich auf die Linderung der Symptome. Und das alles bei einer chronischen Schmerzerkrankung, von der nach Expert:innenschätzung circa 2 Millionen Frauen allein in Deutschland betroffen sind. Das darf so nicht bleiben, deshalb engagiere ich mich.

2. Was haben Sie bereits getan, um die Situation von Endometriose-Betroffenen in Deutschland zu verbessern?

Vergangenes Jahr konnte ich beispielsweise mit Hilfe meiner Fraktionskollegin im Bundestag, Dr. Wiebke Esdar MdB, dazu beitragen, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung ab dem Jahr 2023 eine neue Förderlinie Frauengesundheit/Endometriose etabliert. Ab 2023 werden erstmals 5 Millionen Euro für die Forschung an und zu Endometriose zur Verfügung gestellt, die ab 2024 verstetigt werden. In den vergangenen 20 Jahren wurden in Deutschland lediglich 500.000 Euro für Forschung zu Endometriose bereitgestellt. Allein für 2023 konnten wir die Summe also verzehnfachen und so einen echten Fortschritt erzielen. Und gut ist auch, dass dieses Fördergeld für die Forschung ab 2024 verstetigt wird. Aber, das will ich nicht verhehlen, das reicht natürlich bei weitem noch nicht.

3. Welche Probleme sehen Sie, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene noch gelöst werden müssen?

Auf gesellschaftlicher Ebene sehe ich ganz klar die Notwendigkeit, dass wir viel breiter über die Krankheit Endometriose aufklären müssen. Man kann und darf die Symptome nicht abtun als „übliche Menstruationsbeschwerden“, Ärztinnen und Ärzte müssen breiter über Diagnosemöglichkeiten und Therapiemaßnahmen informiert und geschult werden, der ganze Gesundheitsbereich muss stärker sensibilisiert werden. Und es würde natürlich auch helfen, wenn auch das persönliche Umfeld besser informiert ist. Aufklärung führt zu Verständnis und Verständnis zu mehr Rücksichtnahme. Und für die Politik gilt letztlich das Gleiche: Aufklärung führt zu Verständnis und Verständnis, in dem Fall zu dem Bewusstsein, den Fokus schärfen zu müssen und der Forschung und Entwicklung mehr Potential einzuräumen.