Sommerinterview mit
Nicole Westig

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"Allen Betroffenen, die mit ihrem Leiden an die Öffentlichkeit gehen, bin ich dafür sehr dankbar. Denn das hilft uns politisch Verantwortlichen."

1. Warum engagieren Sie sich für die Interessen von Endometriose-Betroffenen?

Trotz allem Fortschritt und modernster Technik in der Medizin stehen Frauen im Gesundheitswesen strukturell schlechter dar. Denn: die Grundlagen moderner Medizin werden nach wie vor auf fast allen Ebenen durch den männlichen Körper als Standard geprägt. Das hat Folgen: Während spezifische Auswirkungen von Krankheiten bei Männern in der Regel gut erforscht sind, leiden Frauen aufgrund der schlechteren Datenlage, dem sogenannten Health Data Gap. Daher muss gerade im Bereich der Forschung mehr passieren, um den Frauenkörper und damit auch frauenspezifische Krankheiten – wie z.B. Endometriose – mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Die Ampelregierung hat sich darauf in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Mehr geschlechterspezifische Forschung kommt nicht nur der Frauengesundheit zugute, sondern der gesamten Gesellschaft.

2. Was haben Sie bereits getan, um die Situation von Endometriose-Betroffenen in Deutschland zu verbessern?

Frauenleiden wie Endometriose müssen raus aus der Tabuzone. Es ist schon als Fortschritt zu bezeichnen, dass heute viel öffentlich über Endometriose gesprochen wird, nachdem die Krankheit jahrelang verschwiegen und verschleiert wurde. Allen Betroffenen, die mit ihrem Leiden an die Öffentlichkeit gehen, bin ich dafür sehr dankbar. Denn das hilft uns politisch Verantwortlichen. 

Ganz konkret haben wir dafür gesorgt, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung erstmals fünf Millionen Euro für die Endometrioseforschung zur Verfügung stellen kann. Die Mittel sollen im Jahr 2024 verstetigt werden. Daneben hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, einen mit über 20 Millionen Euro ausgestatteten Endometrioseplan nach dem Vorbild der Nationalen Endometriosestrategie in Frankreich auf den Weg gebracht.

In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Thema Endometriose wurde zudem ein systematisches Aus- und Weiterbildungsangebot für Ärztinnen und Ärzte gefordert und ebenso die Überprüfung eines Behindertengrades für Endometriose-Betroffene.

3. Welche Probleme sehen Sie, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene noch gelöst werden müssen?

Es braucht weiter eine breite gesellschaftliche Debatte rund um das Thema Frauengesundheit. Deshalb fordern wir als Freie Demokraten auch eine bundesweite Aufklärungskampagne über Endometriose und Menstruationsbeschwerden, die auch Eingang in den Schulunterricht findet und für eine Entstigmatisierung sorgt. 

Daneben brauchen wir Lösungen zur Finanzierung einer sachgerechten Kostenübernahme von geeigneten Ansätzen zur Diagnose und Therapie. Das muss für alle Therapien gelten, die wissenschaftlich-evidenzbasierten Standards gemäß des Sozialrechts genügen. Ebenso brauchen wir einen erleichterten Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen, die für die Genesung nach Operationen oft notwendig sind. 

Es ist sowohl eine Frage der Menschenwürde, Frauen nicht länger leiden zu lassen, als auch in unserem ureigensten gesellschaftlichen Interesse, sie wieder schnell in ihren Beruf zu bringen.