Sommerinterview mit
Heidi Reichinneck

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"Wir müssen als Gesellschaft dahin kommen, dass Endometriose-Betroffene offen über ihre Beschwerden reden können und z.B. auch am Arbeitsplatz nicht diskriminiert werden [...]."

1. Warum engagieren Sie sich für die Interessen von Endometriose-Betroffenen?

Von Endometriose sind 10% der weiblichen Bevölkerung betroffen und trotzdem kennen viele diese Krankheit nicht, medizinisches Personal eingeschlossen. Wir haben im Bundestag jetzt wiederholt von den Anliegen der Betroffenen gehört, z.B. bei einer Anhörung im Petitionsausschuss und im Gesundheitsausschuss. Vor allem, weil die Betroffenen zu 100 % Frauen sind, wird der Erkrankung nicht der Stellenwert eingeräumt, den sie haben müsste, um wissenschaftlich von allen Seiten betrachtet zu werden. Männer sind in der Medizin immer noch der Standard und daran muss sich endlich etwas ändern. Ich setze mich für Endometriosebetroffene ein, weil ich will, dass ihr Leid beendet wird und sie vor allem Verständnis und Unterstützung erhalten. Dafür muss u.a. die Gendermedizin in die Ausbildung von medizinischem Personal integriert werden.

2. Was haben Sie bereits getan, um die Situation von Endometriose-Betroffenen in Deutschland zu verbessern?

Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages habe ich mit meiner Fraktion unter anderem eine Kleine Anfrage zum Stand der Endometriose-Forschung und -Förderung gestellt. Wir konnten dabei herausfinden, dass die Bundesregierung kaum Mittel dafür einsetzt, um sich um die Belange von Endometriosebetroffenen zu kümmern. Wir haben außerdem einen Antrag zur Verbesserung der Situation von Endometriose-Betroffenen eingebracht, der sowohl mehr Aufklärung der Bevölkerung und des medizinischen Personals, bessere Diagnostik, als auch mehr Gelder für die Forschung fordert. Dazu gab es dann auch eine Debatte im Bundestag. Weil wir das Thema in der Öffentlichkeit und im Bundestag zusammen mit den Verbänden so sehr vorangetrieben haben, ist jetzt auch der Ampelregierung klar, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Jetzt muss sie endlich Geld in die Hand nehmen und entsprechende Programme auflegen.
Zudem habe ich versucht, über meine Social-Media-Kanäle zu dem Thema zu informieren und damit noch mehr Menschen zu erreichen.

3. Welche Probleme sehen Sie, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene noch gelöst werden müssen?

Gesamtgesellschaftlich muss endlich das Tabu rund um Menstruationsbeschwerden gebrochen werden. Junge Frauen und Mädchen müssen professionell darüber aufgeklärt werden, was ein normales Schmerzlevel während der Periode ist und wann es besser ist, eine Ärztin hinzuzuziehen. Und diese muss dann auch gut darin geschult sein, Endometriose zu erkennen statt die Patient:in nicht ernst zu nehmen. Wir alle haben doch während der Menstruation schon den Satz gehört „Jetzt hab dich nicht so“. Aber umso länger man Endometriose nicht erkennt, desto mehr kann sie sich ausbreiten und dementsprechend mehr Leid verursachen. Wir müssen als Gesellschaft da hin kommen, dass Endometriose-Betroffene offen über ihre Beschwerden reden können und z.B. auch am Arbeitsplatz nicht diskriminiert werden, weil sie regelmäßig für 1-2 Tage ausfallen.

Auf politischer Ebene muss die Bundesregierung endlich die Versorgungssituation von Endometriose-Betroffenen verbessern. Da waren sich in den Anhörungen, Ausschusssitzungen und Bundestagsdebatten auch alle Fraktionen einig. Es ist jetzt an der Regierung, das Problem anzugehen.