Endometriose im Landtag Sachsen-Anhalt: Unsere Einschätzung zur Anhörung

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Am 25. Juni 2025 lud der Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landtags Sachsen-Anhalt zur Anhörung zum Thema „Endometrioseversorgung in Sachsen-Anhalt“ – auf Initiative der Koalitionsfraktionen CDU, SPD und FDP.

Wir begrüßen sehr, dass Endometriose auf diese Weise politisch aufgegriffen wurde – und waren gemeinsam mit einer regionalen Selbsthilfegruppe aus Magdeburg vor Ort vertreten. Für die Endometriose-Vereinigung Deutschland sprach Geschäftsführerin Anja Moritz.

Breite Beteiligung an der Anhörung

Folgende Institutionen und Vertreter waren eingeladen:

  • Frau Hilbrecht, Vertreterin der Selbsthilfegruppe Magdeburg
  • Dr. med. Hermann Voß, stellvertretender Vorsitzender der Ethikkommission, Ärztekammer Sachsen-Anhalt
  • Martin Wenger, Hauptgeschäftsführer, Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA)
  • Dr. med. Frank Thieme, Vorstand des Berufsverbands der Frauenärzte e. V., Landesverband Sachsen-Anhalt und Bundesvorstand
  • Prof. Dr. Markus Wallwiener, Professor für Gynäkologie, Universitätsklinikum Halle (Saale)
  • Prof. Dr. med. Stephanie Wallwiener, kommissarische Direktorin der Klinik für Gynäkologie, Universitätsklinikum Halle (Saale)
  • OA Dr. med. Paolo Gennari, Leiter des Endometriosezentrums, Universitätsklinikum Magdeburg, Klinik für Gynäkologie
  • Univ.-Prof. Dr. med. Ute Seeland, Leiterin der Hochschulambulanz für geschlechtersensible Medizin und Prävention, Universitätsklinikum Magdeburg
  • Deddo Lehmann, Geschäftsführer und Kurdirektor, Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg-Kur-GmbH
  • Maria Ganser, Chefärztin Gynäkologie und Leiterin des Endometriose-Reha-Zentrums, Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg-Kur-GmbH

Was wir eingebracht haben

In unserer Stellungnahme machten wir deutlich: Die Versorgungssituation für Endometriose-Betroffene in Sachsen-Anhalt weist erhebliche strukturelle Mängel auf. Zwei zertifizierte Zentren reichen bei weitem nicht aus, um dem Bedarf gerecht zu werden. Lange Wartezeiten, mangelnde Aufklärung und fehlende Koordination zwischen den Versorgungsebenen sind Alltag für viele Betroffene. Gefordert wurden unter anderem eine bessere Einbindung des Themas in Schule und Ausbildung, der Aufbau einer Landesfachstelle Endometriose sowie eine Stärkung spezialisierter Angebote und interdisziplinärer Versorgung.

Ein Thema – viele Perspektiven

Im Verlauf der Anhörung wurde deutlich, wie unterschiedlich die Einschätzungen zur Versorgungslage ausfallen – je nachdem, ob man aus Sicht der Selbsthilfe oder aus Sicht der ärztlichen Versorgung spricht. Vertreter der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und des Berufsverbands der Frauenärzte betonten vor allem die Fortschritte der vergangenen Jahre. So verwies Dr. Hermann Voß (Ärztekammer Sachsen-Anhalt) darauf, dass in jeder Facharztprüfung Fragen zu Endometriose enthalten seien. Die Laparoskopie sei weiterhin Goldstandard in der Diagnostik – eine Haltung, die wir insbesondere bei jungen Mädchen kritisch sehen. Dr. Voß betonte zudem, dass niedergelassene Frauenärztinnen und -ärtze ausreichend informiert seien – obwohl unsere eigene Umfrage zum Thema Endometriose im Medizinstudium erhebliche Lücken in Ausbildung und Wissenstand belegt (siehe Kurinfo am Ende des Beitrages). Gleichzeitig räumte er aber auch ein, dass es ein Aufklärungsdefizit gebe und die finanzielle Ausstattung für operative Eingriffe unzureichend sei – ein Problem für viele Kliniken.

Martin Wenger von der KVSA schilderte die Versorgungslage in Sachsen-Anhalt grundsätzlich positiv: Es gebe keine langen Wartezeiten, die Versorgung sei sichergestellt. Die Vorteile eines Disease-Management-Programms (DMP) wurden betont – wenngleich es für Endometriose bislang kein solches Programm gibt. Auch er unterstrich, dass schulische Aufklärung elementar sei.

Dr. Frank Thieme vom Berufsverband der Frauenärzte beschrieb, dass sich in den letzten Jahren viel getan habe. Zwar sei die Diagnosezeit in der Vergangenheit lang gewesen, dies werde sich seiner Einschätzung nach aber nun deutlich verkürzen. Alle niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen könnten Endometriose diagnostizieren. Er sprach sich für neue Therapieformen jenseits von Operation und Hormontherapie aus und brachte die Idee eines jährlichen Endometriose-Tags in Sachsen-Anhalt ins Spiel. Eine Entbudgetierung für Endometriose-Behandlungen durch Fachärztinnen und -ärzte sei dringend erforderlich.

Forschung und Praxis kamen ebenfalls zu Wort: Das Universitätsklinikum Halle stellte das Projekt Endo-EVE vor, das unter anderem den Zugang zur Versorgung und die Erfahrungen der Betroffenen untersucht. Prof. Ute Seeland von der Uni Magdeburg regte ein Mentoring-Programm für junge Endometriose-Betroffene an. OA Dr. Paolo Gennari berichtete von einer angeblich auf vier Jahre verkürzten Diagnosedauer in Sachsen-Anhalt – eine Quelle für diese Zahl nannte er nicht. Er betonte, dass die Anamnese viel Zeit brauche, doch auch, dass es eine Versorgungslücke nach Diagnosestellung gebe. Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Praxen und spezialisierten Zentren sei ausbaufähig.

Das Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg, vertreten durch Geschäftsführer Deddo Lehmann und Chefärztin Maria Ganser, stellte sich als Leuchtturmprojekt im Bereich Endometriose-Rehabilitation vor und betonte den Bedarf an mehr solcher spezialisierten Reha-Angebote.

Ein struktureller Gegensatz – was Betroffene erleben und was die Versorgung sieht

Was diese Anhörung sehr deutlich gemacht hat: Die Sicht der Betroffenen und die Sichtweise der medizinischen Verbände klaffen auseinander. Während Vertreter aus Medizin und Selbstverwaltung vielfach davon sprechen, dass sich bereits viel verbessert habe, erleben Betroffene nach wie vor strukturelle Hürden – lange Diagnosedauern, fehlendes Wissen, Stigmatisierung und eine oft nicht ausreichende Behandlung. Die Fortschritte, die aus Sicht der Fachverbände bereits erzielt wurden, sind sicher nicht zu leugnen – reichen aber nicht aus, um das Leben der vielen Tausenden Endometriose-Betroffenen in Sachsen-Anhalt – nach unserer Hochrechnung zwischen 44.000 und 65.000 – spürbar zu verbessern.

Ein großes Dankeschön gilt an dieser Stelle auch der Selbsthilfegruppe aus Magdeburg, die mit ihrem Beitrag sehr eindrücklich deutlich gemacht hat, wie die realen Erfahrungen der Betroffenen in Sachsen-Anhalt aussehen – jenseits der Versorgungsperspektive auf dem Papier.

Ein wichtiges politisches Signal – mit dem Auftrag, weiterzugehen

Trotz aller Unterschiede in der Wahrnehmung ist es ein wichtiger Schritt, dass sich die Politik dieses Themas annimmt. Es bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten nicht nur die positiven Aspekte aufnehmen, sondern auch die strukturellen Probleme ernst nehmen. Sachsen-Anhalt allein wird das Thema nicht lösen können – aber es kann bundesweite Impulse setzen: durch Aufklärung in Schulen, die Einrichtung einer Landesfachstelle Endometriose, eine landesweite Kampagne und bessere Versorgungsstrukturen.

Ausblick: Wir bleiben dran.
Wir werden mit den Abgeordneten weiterhin im Kontakt bleiben, die Interessen der Betroffenen nachdrücklich vertreten und hoffen sehr, dass die einreichende Koalition im nächsten Schritt einen konkreten Antrag zur Verbesserung der Endometriose-Versorgung in Sachsen-Anhalt erarbeitet und in den Landtag einbringt – so, wie es beispielhaft in Nordrhein-Westfalen bereits erfolgreich geschehen ist.


Infobox: Endometriose im Medizinstudium – Ergebnisse unserer Umfrage (2022)

  • 23,9 % wünschten sich eine vertiefte Behandlung der Erkrankung im Curriculum.
  • Nur 59 % der befragten Medizinstudierenden hatten im Studium bereits von Endometriose gehört.
  • 39 % gaben an, ihr Wissen stamme nicht aus dem Studium.
  • Nur 14,5 % hatten ihr Wissen ausschließlich über die Universität erlangt.