Chronische Schmerzen bei Endometriose und wie ihnen begegnet werden kann

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Ein multimodaler Ansatz sollte biologische, psychologische und soziale Aspekte aufgreifen.1

Frau mit den Händen vor dem Bauch

Der Verlauf der Endometriose-Erkrankung kann sehr unterschiedlich sein. Manchmal kommt es schon früh zu schwerwiegenden Beschwerden, manchmal entwickelt sich ein eher schleichender Verlauf, ohne größere Probleme. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn die Schmerzen über einen längeren Zeitraum – mindestens sechs Monate – zurückverfolgt werden können.

Je nach Lokalisation der Endometriose-Herde ist ein natürlicher Abfluss, der sich zyklisch aufbauenden Schleimhaut, nicht immer gegeben. Es können Flüssigkeitsansammlungen, Zystenbildungen und Entzündungsreaktionen entstehen. Die dadurch bedingten Schmerzen und Beschwerden sind zu Beginn der Erkrankung oft zyklusabhängig. Im weiteren Verlauf kann es durch Verwachsungen und Vernarbungen, als Folgeschäden der Endometriose, zu ständigen Krämpfen und Schmerzen kommen, die nicht mehr zyklus- und hormonabhängig sind. Es werden Schmerzen und Beschwerden empfunden, obwohl keine Endometriose mehr nachgewiesen werden kann. Eine Hormontherapie ist dann nicht mehr wirksam. Bei jeder Operation geht man das Risiko ein, dass es durch den Eingriff selber zu neuen Verwachsungen und dadurch bedingt zu einer Zunahme der Beschwerden kommen kann.

Zur Schmerzbewältigung ist es wichtig eigene Wege für einen besseren Umgang mit chronischen Schmerzen zu finden. Über die Operation, Hormontherapie und Schmerztherapie hinaus, besteht die Möglichkeit durch das Erlernen von Verhaltensänderungen die Schmerzen und die dadurch bedingten Beeinträchtigungen zu mindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Nach dem bio-psycho-sozialen Modell werden biologische, psychische und soziale Faktoren bei der Entstehung von chronischen Schmerzen berücksichtigt. Diese sind sowohl alleine, als auch in ihrer komplexen Wechselwirkung untereinander von Bedeutung.

  • Biologische Einflüsse, wie Endometriose-Herde, Entzündungen, Narben, Verwachsungen und Infiltrate können Schmerzen verursachen. Schmerzen können wiederum weitere biologische Auswirkungen haben, wie Verspannung, Fehlhaltung, Inaktivität, Schonhaltung, Schonung, Überlastung und Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses.
  • Psychische Einflüsse, wie negative Gefühle (Niedergeschlagenheit, Hilflosigkeit, Depressivität, Ängste, Ärger), stresserzeugende Einstellungen, pessimistische Gedanken können die Schmerzempfindung und das Sozialverhalten beeinflussen. Schmerzen können wiederum zu psychischen Auswirkungen wie negativen Gefühlen, Reizbarkeit, Aggressivität, Hilflosigkeit, Depression, Mangel an Selbstvertrauen und Ängsten führen.
  • Soziale Einflüsse, wie wiederkehrende Konflikte in Familie und Beruf, Überlastung durch zu viele Rollen und Aufgaben, Verlusterlebnisse beeinflussen die Psyche und das Schmerzempfinden. Schmerzen können wiederum soziale Auswirkungen, wie sozialen Rückzug, reduzierte Aktivität in Familie, Beruf und Freizeit haben.

Nach diesem Modell ergeben sich folgende Therapieansätze:

Die positiven Einflüsse von Sport und Bewegung auf den Körper sollten unbedingt genutzt werden. Bei körperlicher Betätigung werden Endorphine ausgeschüttet, die die Stimmung aufhellen und schmerzlindernd wirken. Durch regelmäßige körperliche Aktivität kommt es zum Muskelaufbau, zur Entkrampfung, zur Stärkung des Immunsystems und Aktivierung des Stoffwechsels. Für welche Art der Bewegung man sich entscheidet ist nebensächlich, es sollte Spaß machen und man sollte Freude daran haben. Zu empfehlen sind Sportarten wie Walking, Tanzen, Radfahren, Wandern, Schwimmen oder Spazierengehen.

Durch Physiotherapie können Muskeln gezielt aufgebaut werden, die Haltung kann stabilisiert, Beweglichkeit und Koordination gefördert werden, Sehnen und Bänder (auch im Beckenbereich) werden gekräftigt und die Durchblutung von Muskulatur, Haut und Organen gesteigert. Es kommt zur Entkrampfung, Stärkung des Immunsystems, Verbesserung des Lymphabflusses, Ausschüttung von Glückshormonen und Stressabbau. Geeignet sind beispielsweise spezielle Krankengymnastik, Wirbelsäulengymnastik, Beckenbodengymnastik, Atemtherapie und Wassergymnastik.

Bei bestimmten Massagetherapien wird versucht durch äußere Handgriffe innere Organe, wie Gebärmutter, Eierstöcke, Blase und Darm zu regulieren und Verwachsungen zu lösen. Ziel ist es durch die Lockerung verspannter Muskeln, durch Mobilisation von Narben und durch die Verbesserung der Durchblutung eine Schmerzreduktion zu erreichen. Eine reflektorische Schmerzlinderung kann durch die gezielte Stimulierung bestimmter Rezeptoren in der Haut erreicht werden und gegebenenfalls auch durch physikalische Reize wie (Wärme, Kälte, Druck, Strahlung, Elektrizität) ergänzt werden. Geeignet sind z.B. Bindegewebsmassage, Fußreflexzonenmassage, Colonmassage, Lymphdrainage, Fango, Massage, Heiße Rolle, Ultraschalltherapie, Transkutane elektrische Nervenstimulation (Tens-Therapie) oder Wassertreten nach Kneipp.

Das psychische Wohlbefinden kann durch Psychotherapie, Entspannungsverfahren, bewusste Ablenkung, Konfliktbewältigung in Familie und Beruf verbessert werden. Das kann schmerzlindernd wirken.

Auch Entspannungsaktivitäten und Entspannungsübungen können Schmerzen mindern. Die Tiefenmuskulatur in Bauch und Becken entspannt sich, die Organe werden positiv beeinflusst, es werden weniger Stresshormone ausgeschüttet und somit die Schmerzen reduziert. Zur Entspannung eignen sich zum Beispiel autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga, Imaginationsverfahren, Meditation oder Qi Gong.

Ein weiterer Baustein in der Schmerzbewältigung ist die soziale Unterstützung sowohl durch die Familie und Freunde als auch durch Arbeitgeber und Kollegen.

Bei wiederholter oder längerer Krankmeldung, sowie einer stärkeren Leistungsminderung im Beruf sollte nach einer für alle Beteiligten befriedigenden Lösung gesucht werden. Dies könnte beispielsweise eine Reduzierung der Arbeitszeit sein, die Umsetzung am Arbeitsplatz oder ggf. sogar eine Umschulung zu einer anderen Tätigkeit.

Im Rahmen einer Rehabilitation können in all diesen Bereichen Anregungen zur Krankheits- und Schmerzbewältigung gegeben werden. Es können die verschiedensten Aktivitäten, Therapien und Behandlungen ausprobiert werden und bei sozialmedizinischen Fragen und Anträgen kann professionell beraten und unterstützt werden. Die Endometriosebetroffenen können sich in einem geschützten Rahmen untereinander, mit Ärzt*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Physiotherapeut*innen austauschen. Durch diesen ganzheitlichen Therapieansatz kann die Endometriose mit all ihren Folgen besser verstanden und besser in das eigene Leben integriert werden.

Die Motivation, eine bestimmte Aktivität regelmäßig auszuüben oder eine Behandlung, oder Therapie anzunehmen ist am größten, wenn man am eigenen Körper die Erfahrung gemacht hat, dass der erwünschte Erfolg auch wirklich eintritt.

So kann man selber aktiv werden für seine Gesundheit und den eigenen Körper.

Dr. med. Birgit Donau, Chefärztin Gynäkologie, MEDIAN Klinik Schlangenbad

Hier finden Sie alle auf Endometriose spezialisierten Reha-Einrichtungen in Deutschland.

  1. Dieser Beitrag ist die Zusammenfassung eines Vortrages, den Frau Dr. Donau auf unserer Jahrestagung 2017 gehalten hat. Er wurde zuerst im Jahr 2017 in unserer Broschüre „Mit Endometriose erleben“ veröffentlicht und erschient, überarbeitet und aktualisiert in der Neuauflage der Broschüre im Jahr 2021 ↩︎