Sommerinterview mit
Dorothee Bär

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"Während andere europäische Länder nationale Strategien gegen Endometriose ausrufen, hat das deutsche Frauenministerium praktisch nichts gemacht außer einem Podcast."

1. Warum engagieren Sie sich für die Interessen von Endometriose-Betroffenen?

Es leiden Millionen Frauen an dieser immer noch weitgehend unbekannten und unerkannten Krankheit. Endometriose wird leider immer noch viel zu häufig tabuisiert. Die Frauen leiden meist still. Von der Fachwelt sind die dringenden Bedarfe für die Erforschung, die Prävention und für die Behandlung von Endometriose hingegen längst klar formuliert. Mein Ziel als Frauenpolitikerin ist es, dass diese Krankheit in Politik und Gesellschaft ernst genommen wird, damit sich die Situation der Betroffenen verbessert. Während andere europäische Länder nationale Strategien gegen Endometriose ausrufen, hat das deutsche Frauenministerium praktisch nichts gemacht außer einem Podcast. Die Krankheit taucht in Deutschland in politischen Debatten kaum auf. Das wollen wir als größte Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag ändern.

2. Was haben Sie bereits getan, um die Situation von Endometriose-Betroffenen in Deutschland zu verbessern?

Wir haben das Thema auf die politische Bühne gehoben. Zunächst haben wir uns durch eine sog. Kleine Anfrage an die Bundesregierung Informationen zum Status quo besorgt. Dann haben wir in einer Veranstaltung, die bundesweit auf eine Riesenresonanz gestoßen ist, uns mit Experten und Betroffenen ausgetauscht, was als erstes angepasst werden müsste, um die Community im Kampf gegen die Krankheit zu unterstützen. Sodann haben wir mit einem Antrag im Deutschen Bundestag die Regierung aufgefordert, konkrete Maßnahmen umzusetzen. Etwa für die Erforschung mehr Mittel bereitzustellen. Oder die flächendeckende und ganzheitliche Versorgung von Patientinnen zu gewährleisten. Oder für mehr Aufklärung und gesellschaftliche Sensibilisierung zu sorgen. Zumindest einen kleinen ersten Erfolg können wir in Zahlen benennen: Wenige Tage nach unserem Event zum Thema hat das Bundesforschungsministerium eine neue Fördermittellinie i.H.v. zunächst einmal 5 Mio. Euro aufgelegt. Ein erster Schritt, nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und zu wenig, aber immerhin. Fortschritte beim Thema Frauengesundheit gibt es nicht zum Nulltarif.

3. Welche Probleme sehen Sie, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene noch gelöst werden müssen?

Endometriose ist keine kleine Sache. Es ist auch keine kurze Sache. Und es ist nicht nur eine Frauensache. Die deutsche Politik hat hier eine Leerstelle und sieht offenbar praktisch keine Veranlassung, das zu ändern. Sowohl politisch als auch gesellschaftlich gilt es, die Krankheit weiter sichtbar zu machen. Wir fordern deshalb nach dem Vorbild Frankreichs eine Nationale Strategie. Endometriose gehört in das Curriculum der Medizinerausbildung und die Lehrpläne von Schulen. Es gehört darüber aufgeklärt in der Arbeitswelt. Sei es allgemein per Kampagne oder ganz konkret wenn es um die Anerkennung der Krankheit als Behinderung geht für Frauen, deren Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit einfach dauerhaft eingeschränkt ist. Die Betroffenen sollen ihr Leiden nicht länger verstecken müssen. Spätestens an dieser Stelle wird Endometriose in gesellschaftlicher Hinsicht zum Problem, dem gegengesteuert werden muss. Da sind Sie als Betroffenenverband ganz vorne dran. Für Ihr Engagement möchte ich Ihnen herzlich danken und Ihr Wirken politisch flankieren, weil ich überzeugt bin, dass das Thema und vor allem die Frauen es mehr als verdient haben, dass wir hier an einem Strang ziehen.