Raus aus der Tabu-Ecke: Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation in Berlin

Ein Gast-Beitrag von Katrin Wolschke.

Bildnachweis: Ausstellungsansicht
© Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug

Endlich gibt es sie: eine Ausstellung zur Menstruation! Das Museum Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem eröffnete am 5. Oktober des vergangenen Jahres die Ausstellung mit dem anschaulichen Titel “Läuft.” Und sie läuft definitiv in die richtige Richtung.

Es ist eine erfrischende Ausstellung, die die Besucher*innen noch bis zum 6. Oktober 2024 erwartet. Eine Ausstellung zum Anfassen, Schmunzeln, (Dazu-)Lernen und Staunen. Nach dem Eintreten wird die Geschichte von Menstruationsunterwäsche und Hygieneartikeln anschaulich anhand von zahlreichen Exponaten lebendig, verursacht Kopfschütteln ob früherer, noch gar nicht so fernen “Verhältnisse”, Bewunderung über den Erfindungsreichtum von Frauen sowie Faszination über die Wiedererkennbarkeit vieler historischer Produkte mit den heutigen. Dazu als Spielerei ein Raum, in dem Besucher*innen in Menstruationsunterwäsche von Vorvorgestern schlüpfen und sich darin fotografieren können.

Im nächsten Themenblock geht es um “Aufklärung und aktuelles Wissen”. Die dargebotenen Informationen zu Zyklus und Menstruation können sicherlich keinen guten Sexualkundeunterricht ersetzen. In ihrer Knappheit erfüllen sie aber wohl ihr Ziel, alle Anwesenden auf eine zweckmäßige Grundlage zu bringen und ein paar der offenen Fragen zu klären und Vorurteile auszuräumen. Mit Freude entdecken wir an der “Frage-Antwort-Wand” eine Kachel mit der Frage: “Was ist eigentlich Endometriose?” Die Kurzantwort auf der Rückseite ist zwar korrekt, lässt bisher Unwissende jedoch mit der Frage allein, was Endometriose eigentlich so wirklich mit Menstruation zu tun hat. Für besonders ambitionierte Wissensdurstige gibt es immerhin einen Verweis auf die Endometriose-Vereinigung Deutschland.

Bildnachweis: Ausstellungsansicht
© Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug 

Sehr gelungen ist der Themenbereich “Diskurse rund um die Menstruation”, der kulturhistorisch bis ins 19. Jahrhundert zurückgeht. Wie wurde und werden menstruierende Personen in der Gesellschaft wahrgenommen? Sind sie Schuld an dem großen Berg von Abfällen, die Hygieneprodukte verursachen? Und ist es eine Klassenfrage, ob man sich diese Produkte überhaupt leisten kann? Im letzten Raum der Ausstellung werden an großen Leinwänden in Endlosschleife Ausschnitte gezeigt, wie die Menstruation in “Popkultur und Kunst” be- und verhandelt wurde und wird, in Filmen, Musik, Comedy und vielen anderen Bereichen der Kunst.

“Läuft.” ist ein sehr guter und sehr großer Schritt, die Menstruation aus ihrer Tabu-Ecke zu holen. Die Einladung zum Mitmachen “soll Besucher*innen multi-perspektivische und sensomotorische Zugänge zum Thema ermöglichen”. Für Schulklassen und Lehrkräfte gibt es außerdem besondere Angebote.

Bildnachweis: Katrin Wolschke

Obwohl die meisten Mädchen und Frauen während ihrer Regelblutung zeitweise mehr oder weniger starke Schmerzen haben, findet das Thema “Schmerzen und Menstruation” in der Ausstellung jedoch keinen Raum. Einzig der Hinweis, dass man sich bei alltagseinschränkenden Schmerzen an eine*n Ärzt*in wenden soll, ist zu wenig. Das Thema Stimmungsschwankungen (PMS) hat es im Zusammenhang mit der Geschichte des Hysterie-Begriffs immerhin auf eine eigene Ausstellungstafel geschafft – jedoch ebenfalls unter Vernachlässigung des Kontexts zur aktuellen Betroffenenlage und Wissensstand. Für eine Entstigmatisierung von Menstruationsbeschwerden braucht es hier noch ein paar Schritte mehr.

Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation
6. Oktober 2023 – 6. Oktober 2024
Eine Sonderausstellung des Museums Europäischer Kulturen – Staatliche
Museen zu Berlin
Museum Europäischer Kulturen, Arnimallee 25, 14195 Berlin

https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/laeuft-die-ausstellung-zur-menstruation/