Der Darm: Wie unser Bauchgehirn den Körper steuert

Dieser Beitrag ist die Zusammenfassung eines Impulsvortrages von Simone Möller im Rahmen unserer Jahrestagung 2022, zuerst veröffentlicht in der Dokumentation der Jahrestagung (https://www.endometriose-vereinigung.de/wp-content/uploads/2023/08/Dokumentation-Jahrestagung-2022.pdf).

Simone Möller, ist vielen als Endometriose-Beraterin in unserer Beratungsstellung und als frau.moeller von Instagram bekannt.

Darm

Einleitend zwei Punkte vorweg:

1. Wenn im Folgenden über Endometriose gesprochen wird, ist die Adenomyose ebenfalls gemeint.

2. Als Heilpraktikerin arbeite ich mit alternativmedizinischen Verfahren. Dennoch halte ich bei Endometriose die herkömmliche Medizin mit ihren Möglichkeiten für überaus wichtig und nötig. Beide Verfahren sollten sich meiner Meinung nach sinnvoll ergänzen. Meine Erfahrung zeigt, dass nur ein ganzheitliches Therapiekonzept, in dem Alternativ- und Schulmedizin ineinandergreifen, den Betroffenen helfen kann. Und welche Rolle unser Bauchgehirn dabei spielt, werde ich hier erklären.

Warum Bauchgehirn?

Dass wir zwei Gehirnhälften mit unterschiedlichen Aufgaben haben, weiß eigentlich jeder. Dass wir aber noch ein zweites Gehirn in uns tragen, ist wahrscheinlich vielen neu. Aber tatsächlich verbirgt sich in unserem Bauch eine Schaltzentrale: Ein Nervengeflecht, das aufgebaut ist wie das Gehirn im Kopf. Es sitzt zwischen den Muskelschichten der Darmwand, hat ca. 100-200 Millionen Nervenzellen und arbeitet mit den gleichen Botenstoffen wie das Kopfhirn. Zum Vergleich: Ein Hund hat in seiner Hirnrinde ca. 160 Millionen Nervenzellen und Hunde gelten als intelligent.

Das Bauchhirn ist völlig unabhängig vom Kopf, d. h. der Darm koordiniert die Verdauung im Grunde allein. Nach dem Schlucken gibt das Gehirn die Kontrolle ab. Du kannst das testen: Versuch mal deinem Speisebrei nach dem Runterschlucken Befehle zu erteilen – geht nicht. Er kommt aber trotzdem irgendwann im Klo an.

Eine Kooperation mit dem Kopf gibt es über die Darm-Hirn-Achse. Hierüber laufen 90 % des Info-Austausches vom Bauch an den Kopf – nicht umgekehrt. Die restlichen 10 % des Informationsflusses strömen vom Kopf an den Darm und werden bei Hunger/Durst, Schmerzen/Störungen und in Notfällen aktiv, z. B., wenn das Kopfhirn zum Erbrechen auffordert.

Der Darm – mehr als ein Schlauch im Bauch

Der Verdauungstrakt zieht sich wie ein Schlauch durch den Körper. Er beginnt im Mund und endet am After. Der Darm ist ein Teil davon. Er beginnt nach dem Magen mit dem Dünndarm und geht dann in den Dickdarm über. Insgesamt misst der Darm zwischen 4-7 m – je nach Person.

Ausgebreitet und aufgefaltet füllt der Darm eine Fläche von ca. 400 m² aus – ein halbes Handballfeld. Damit ist er die größte Kontaktfläche zur Außenwelt, die ein Mensch hat. Zum Vergleich: die Haut hat ca. 1,75 m² Kontaktfläche. Die meisten Menschen machen sich mehr Gedanken über ihre Gesichts- und Körperpflege als über ihre Darmpflege.

Der Darm:

  • verdaut im Laufe des Lebens rund 30 Tonnen Nahrung
  • sorgt für die Nährstoffaufnahme
  • produziert über 20 wichtige Hormone, u. a. Bausteine des Glückshormons Serotonin
  • entgiftet den Körper
  • entsorgt Überflüssiges
  • beherbergt gut 80 % unseres gesamten Immunsystems

Hilfe bekommt er dabei von Darmbakterien, ohne die er diese Arbeit nicht leisten könnte! Auch bekannt als Mikrobiom oder Darmflora. Der Verdauungstrakt ist deshalb das am dichtesten besiedelte Ökosystem der Welt. Wir sprechen von ca. 100 Billionen verschiedenen Bakterien, die in deinem Darm leben! Das kann sich kaum einer vorstellen, also lass es mich anders ausdrücken:

Ca. 2 kg deines Körpergewichts kannst du deinen Darmbakterien zuschreiben.

Wer jetzt denkt: „Super, schmeiß ich raus, dann habe ich 2 kg verloren!“, dem muss ich leider sagen: Ganz schlechte Idee! Denn diese Bakterien sind nötig um:

  • Nahrung zu verdauen,
  • Krankheitserreger zu eliminieren und
  • Schleimhautpflege zu leisten.

Zudem haben sie einen großen Einfluss auf das Scheidenmilieu, was in der Kinderwunschzeit und bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten eine Rolle spielt. Jedes Mikrobiom ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Aufschluss über das persönliche Mikrobiom und den Zustand des Darms gibt eine Stuhldiagnostik. ACHTUNG: Die naturheilkundliche Stuhldiagnostik unterscheidet sich von der herkömmlichen Medizin.

Die naturheilkundliche Stuhldiagnostik ist umfangreicher und liefert Informationen u. a. über:

  • Bakterienvielfalt und -diversität
  • Verdauungsleistung von Dünn- und Dickdarm
  • Verdauungsrückstände der Makronährstoffe
  • Funktion von Bauchspeicheldrüse und Galle
  • Akute Entzündungsparameter
  • Aktivität des Darm-Immunsystems
  • Durchlässigkeit der Darmschleimhaut
  • Histaminabbau

HINWEIS: Eine Stuhldiagnostik mit anschließender Darmtherapie gehört in fachkundige Hände. Von den Selbsttests, die online angeboten werden, rate ich dringend ab. Selbst wenn diese Tests in akkreditierten Laboren durchgeführt und die Befunde von ausgebildeten Kräften interpretiert werden, bleibst du als privater Auftraggeber am Ende mit dem Ergebnis allein.

Eine fundierte Darmtherapie ist immer komplex und setzt sich aus verschiedenen Stufen zusammen. Das kann nur von einem fachkundigen Therapeuten betreut werden. Ich habe diverse Aus- und Fortbildungen auf diesem Gebiet gemacht, beschäftige mich seit über 15 Jahren mit der Mikroökologie des Darms und ich lerne jeden Tag wieder Neues dazu.

Dringende Empfehlung:

Wenn du dich für eine Stuhldiagnostik und/oder Darmtherapie interessierst, wende dich immer an einen spezialisierten Therapeuten, der dich persönlich begleitet. Das ist vielleicht im ersten Moment teurer, als ein Online-Angebot – aber am Ende lohnt sich die Investition in eine individuelle Therapie weitaus mehr als das rausgeschmissene Geld für eine Papierauswertung ohne Behandlung.

Zusammenhang Darm und Endometriose

Darum spielt der Darm eine zentrale Rolle in der ganzheitlichen Endo-Therapie:

Nährstoffversorgung

  • Chronische Erkrankung = Erhöhter Nährstoffbedarf
  • Gesunder Darm = Optimale Nährstoffaufnahme

Hormonelles Gleichgewicht

  • Hormonelle Dysbalancen = Irritierter Hormonhaushalt
  • Gesunder Darm = Wichtiger Beitrag zum Hormongleichgewicht

Entsorger

  • Stuhl, Keime, Krankheiterreger, Toxine, Zelltrümmer, …
  • Medikamente, Hormone, Umweltgifte
  • Ein gesunder Darm fördert die Entgiftung

Immunabwehr

  • Chronische Entzündungen = Überlastetes Immunsystem
  • Gesunder Darm = Für 80 % eines gesunden Immunsystems ist der Darm verantwortlich – aktiviert den inneren Arzt

Schleimhaut – 400 m²

Inzwischen habe ich für mich auf meiner ganz persönlichen Endo-Reise – aber vor allem auch als naturheilkundlich denkende Therapeutin eins verstanden: Wenn wir bei Endometriose über eine Krankheit sprechen, deren großes Problem fehlgeleitete Schleimhautinseln sind, dann muss im Rahmen einer ganzheitlichen Therapie auf jeden Fall das Organ, mit der größten Schleimhautfläche eingebunden werden.

Ergo: Regulierst du die Darmschleimhaut, regulierst du die Endometriose-Herde.

Die Darmbeschwerden im Schlepptau

Endobelly – Reizdarm – Nahrungsmittelunverträglichkeiten – Durchfall – Verstopfung

Die meisten von uns kennen das nur zu gut und sind mal mehr, mal weniger von Darmbeschwerden geplagt. Grundsätzlich steht die Verdauung physiologisch in Zusammenhang mit dem Zyklus und verändert sich mit diesem. Besonders wenn es auf die Blutung zugeht, sind Verdauungsauffälligkeiten normal. Das geht von Verstopfung bis Durchfall und ist sehr individuell. Trotzdem zeigt sich, dass Endometriose-Patientinnen auffällig oft unter Verdauungsbeschwerden und den damit zusammenhängenden Diagnosen (Intoleranzen, Reizdarm, SiBO, Leaky-Gut-Syndrom usw.) leiden.

Naturheilkundlich betrachtet, liegen bei Endometriose zwei fehlgeleitete Körpersysteme vor: Grenzüberschreitende, desorientierte Schleimhautzellen + hormonelles Ungleichgewicht. In Bezug auf den Darm bedeutet dies eine Irritation von:

  • 400 m² Schleimhaut
  • Östrogen à Wassereinlagerungen in der Darmschleimhaut à minimale Schwellung à gestörte Nährstoffaufnahme à Unverdaute Nahrung rutscht in tiefere Darmregionen
  • Progesteron à entspannt die Muskulatur, auch im Darm à der wird träge à Unverdaute Nahrung

=> Folge: Interner Komposthaufen mit Blähungen, Schmerzen bis hin zum Leaky-Gut-Syndrom und/oder einer Dünndarmfehlbesiedelung.

Erste Hilfe bei Darmbeschwerden:

  • Täglich 2 Liter Flüssigkeit – stilles Wasser oder Kräutertee
  • Verzicht auf Alkohol, Zigaretten, frittiertes, scharfes, blähendes Essen
  • 2-3 Tage leichte Kost wie Reis mit Gemüse oder Porridge
  • Anis-Fenchel-Kümmeltee
  • Bewegung
  • Bauchmassage mit Rosmarinöl (erhöht die Durchblutung)

Wenn die ärztlichen Untersuchungen keine Ergebnisse bringen:

  • Naturheilkundliche Darmtherapie mit vorheriger Stuhldiagnostik (bitte nur in therapeutischer Begleitung) – Dauer: 3-6 Monate
  • Angepasste Ernährung, je nach vorliegender Diagnostik

Fazit

Der Darm wurde lange unterschätzt, aber mit den neuesten Erkenntnissen der Forschung wird langsam klar, was für einen schlauen Verbündeten wir in unserem Bauch haben.

Für mich ist er der Star in der ganzheitlichen Endometriose-Therapie!

Hör auf deinen Bauch – kümmere dich um deinen Darm!
Bleib mutig!
Alles Liebe

Simone