Expertinnen-Interview mit Vorstandsvorsitzender Sarah Kube

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Die Vorstandsvorsitzende der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. Sarah Kube sprach mit Danny Jazmati, Journalist von Medisiegel über die Ziele und die Arbeit der Endometriose-Vereinigung, die Herausforderungen die Endometriose-Betroffene täglich bewältigen müssen und über Missverständnisse, die im Zusammenhang mit Endometriose stehen.

Medisiegel Interview mit Sarah Kube
Vorstandsvorsitzende der Endometriose-Vereinigung Sarah Kube

Danny Jazmati (Medisiegel): Wie definieren Sie den Hauptzweck und die Mission Ihrer Patientenvertretung?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Unsere Vereinigung verfolgt viele Ziele. In einem Satz zusammengefasst ist unsere Mission jedoch seit dem Jahr 1996 gleich: Hilfe zur Selbsthilfe bei Endometriose und Adenomyose. Das heißt für uns: Betroffene engagieren sich für Betroffenen. Dazu gehören zum Beispiel Information und Beratung zu allen Fragen rund um die Erkrankung, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit, um die Erkrankung bekannter zu machen, Unterstützung von Selbsthilfegruppen und -netzwerken in ganz Deutschland und Vertretung unserer Interessen gegenüber der Politik, der Verwaltung, der Ärzteschaft sowie anderen Institutionen und Organisationen um die Versorgung zu verbessern.

Danny Jazmati (Medisiegel): Welche Ressourcen oder Programme bietet Ihre Organisation speziell für Betroffene an?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Das Herzstück unserer Arbeit ist die Endometriose-Beratungsstelle. Hier beraten ausgebildete Endometriose-Beraterinnen Betroffene und auch deren Angehörige individuell und mit viel Zeit zu allen Fragen rund um die Erkrankung. Zudem geben wir sehr viele Informationsmaterialien heraus und veröffentlichen auf unseren Webseiten und unseren Social-Media-Kanälen Neuigkeiten und Wissenswertes über Endometriose und die Community. Seit Kurzem kann auf unserer Webseite auch nach Expertinnen und Experten für die Behandlung von Endometriose recherchiert werden.

Danny Jazmati (Medisiegel): Welche Herausforderungen begegnen Patienten mit Endometriose im täglichen Leben am häufigsten?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Sehr oft erleben die Betroffenen im Alltag, dass sie mit ihrer Erkrankung nicht ernst genommen werden. Das beginnt bei der medizinischen Behandlung durch Ärztinnen und Ärzte, die Symptome nicht erkennen, so dass die Diagnose über viele Jahre nicht gestellt wird. Es geht weiter mit fehlender Akzeptanz im privaten und im beruflichen Umfeld, bspw. wenn Verabredungen oder Termine kurzfristig abgesagt werden müssen. Und es endet dabei, dass Betroffene sich Leistungsansprüche, wie einen Grad der Behinderung hart erkämpfen müssen, da in den Versorgungsämtern z.B. die Meinung vorherrscht, nach einer Operation wären die Probleme gelöst.

Danny Jazmati (Medisiegel): Wie gehen Sie mit dem Tabu um, das oft mit Frauengesundheit und speziell mit Endometriose in der Gesellschaft verbunden ist?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Wir arbeiten sehr intensiv daran, das Tabu zu brechen. Dazu konzentrieren wir uns seit zwei Jahren mit der Kampagne JUNG UND ENDO auf die Aufklärung von Mädchen und jungen Frauen. Zu der Kampagne gehören zum Beispiel Unterrichtsmaterialien für Schulen zu Menstruationsbeschwerden und Endometriose, spezielle Broschüren, aber auch eine Webseite, Kurzfilme und ganz neu ein Podcast. Alles, um mit den jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und aufzuzeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, über Menstruation zu sprechen. Ein weiterer Punkt ist unser politisches Engagement. Wir haben es geschafft, dass im Bundestag über Endometriose debattiert wurde und dass die Medien über die Erkrankung berichten. Hier sind wir auf einem guten Weg.

Danny Jazmati (Medisiegel): Was sind die häufigsten Missverständnisse über Endometriose, auf die Sie stoßen?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Das wohl häufigste Missverständnis ist, dass Regelschmerzen normal seien. Damit werden viele, vor allem junge Betroffene, vor der Diagnose und auch später konfrontiert. Weiter geht es mit dem Missverständnis, dass es sich um eine rein gynäkologische oder eine Unterleibserkrankung handelt. Bei Endometriose wächst Gewebe, dass dem der Gebärmutterschleimhaut ähnelt außerhalb der Gebärmutter. Das führt nicht nur zu zyklusabhängigen Beschwerden, wie extremen Schmerzen und starken Blutungen, sondern ruft in vielen Fällen Beschwerden hervor, die sich im gesamten Körper manifestieren. Endometriose ist eine Ganzkörpererkrankung und die Auswirkungen erleben die Betroffenen tagtäglich. Ein weiteres Missverständnis ist, dass mit den Wechseljahren alles gut wird. Das trifft nur auf einen Teil Betroffenen zu. Viele Erkrankte leiden auch nach der Menopause an den Folgen der Endometriose. Durch Verwachsungen und zahlreiche Operationen kommt es bspw. zu Nerven- und Organschädigungen, die sich bis ans Lebensende auswirken.

Danny Jazmati (Medisiegel): Was können Angehörige und Freunde tun, um Betroffene besser zu unterstützen?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Vor allem Verständnis zeigen – das ist das Wichtigste! Verständnis wenn Verabredungen nicht eingehalten werden, Verständnis wenn eher Ruhe statt Aktivität notwendig ist, Verständnis dafür, dass die Auswirkungen oft das gesamte Leben anhalten. Ein wesentlicher Punkt – und das nicht nur bei Endometriose-Betroffenen – sind Fragen nach dem Kinderwunsch. Sehr häufig werden sie gefragt: „Wann ist es denn so weit?“. Gerade für Endometriose-Betroffene sind Nachfragen nach dem Kinderwunsch oft sehr schmerzhaft, denn ein unerfüllter Kinderwunsch aufgrund der Erkrankung ist für viele von ihnen Realität.

Danny Jazmati (Medisiegel): Welche Initiativen verfolgt Ihre Organisation, um das Bewusstsein für Endometriose zu erhöhen und das Gespräch darüber in der Öffentlichkeit zu fördern?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Wir sind im Gespräch mit Politikerinnen und Politikern. Unter dem Motto Endo.Politisch.Aktiv. engagieren sich viele Mitglieder unseres Vereins in den Bundesländern und auf Ebene des Bundes dafür, dass die dringend notwendigen Entwicklungen zur Verbesserung der Versorgung endlich vorangebracht werden. Dieses Engagement findet auch in den Medien Resonanz, so dass auch die Krankheit bekannter wird. Wir geben aber sehr viele Interviews für Zeitungen, online-Magazin und arbeiten mit Fernsehproduzenten zusammen. So entstand zum Beispiel ein Betrag für die ZDF-Sendung 37 Grad.

Danny Jazmati (Medisiegel): Wie können Betroffene mit Ihnen Kontakt aufnehmen?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Am einfachsten ist es, uns eine E-Mail an info@endometriose-vereinigung.de zu schreiben oder uns anzurufen. Auf unserer Webseite www.endometriose-vereingung.de finden sich alle Kontaktmöglichkeiten.

Danny Jazmati (Medisiegel): Welche Ratschläge haben Sie für jemanden, der gerade erst mit Endometriose diagnostiziert wurde?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Menschen, die ganz frisch ihre Diagnose erhalten haben, sind sehr oft in einem Wechselbad der Gefühle – Freude, endlich zu wissen was los ist und zugleich Entsetzen darüber, an einer chronischen Erkrankung zu leiden, die nicht heilbar ist. Für viele ist es dann hilfreich, wenn sie all ihre Frage, aber auch ihr Sorgen und Ängste mit jemandem besprechen könne, der/die sie versteht und hilfreiche Hinweise und Tipps geben kann: Dafür stehen unsere Endometriose-Beraterinnen. Also mein Tipp: Vereinbaren Sie einen Termin mit einer unserer Beraterinnen.

Danny Jazmati (Medisiegel): Gibt es bestimmte Ressourcen oder Literatur, die Sie Betroffenen empfehlen würden?

Sarah Kube (Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.): Auf unserer Webseite haben wir umfangreiche Informationen rund um Endometriose und Adenomyose zusammengestellt. Hier finden sich auch viele Literatur-Tipps sowie die Adressen aller Endometriose-Zentren in Deutschland. Viele Betroffene unterstützen sich gegenseitig in Selbsthilfegruppen. Die Kontaktadressen von über 70 Gruppen in Deutschland kann man auch auf unserer Webseite recherchieren. Vor allem unsere Instagram- und Facebook-Kanäle (www.instagram.com/endometriose_vereinigung/ und https://www.facebook.com/EndometrioseVereinigungDeutschland/) sind eine gern genutzte Plattform zum Austausch und zur Vernetzung.

Das Interview wurde veröffentlicht bei Medisiegel.

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