Endometriose, Sexualität und Partnerschaft

Für die meisten Menschen sind Liebe und Sexualität essenzielle Bestandteile eines erfüllten Lebens. Das gilt auch für Endometriose-Betroffene. Endometriose und Adenomyose führen jedoch häufig zu erheblichen körperlichen, psychischen und sozialen Einschränkungen. Diese wirken sich auch auf die Partner*innen und die Partnerschaft aus.

Endometriose in der Partnerschaft

Eine Partnerschaft kann grundsätzlich Höhen und Tiefen haben. Wenn eine der Beteiligten krank ist, dann wird die Belastung oft größer als die Freude. Die Betroffene ist mit sich und ihrem Körper beschäftigt, steht vielleicht unter Druck, funktionieren zu müssen und hat Schuldgefühle, weil sie die Frustration ihres Partners oder ihrer Partnerin spürt. Er oder sie fühlt sich hilflos und hat das Gefühl, außerhalb zu stehen und nichts tun zu können. Und wenn zusätzlich die Sexualität betroffen ist, weil z. B. Sexualität mit Schmerzen verbunden ist, kann man schon verzweifeln bei der Suche, wie man da herauskommen kann. Manchmal geht es auch um die Frage, ob man überhaupt wieder zueinander finden kann.
Was können Sie tun? Nach unserer Erfahrung ist es am wichtigsten, die eigenen Gefühle und Wünsche ernst zu nehmen und nicht über sie hinwegzugehen. Ehrlich zu sein – sich selbst und dem Partner oder der Partnerin gegenüber. Auch wenn es manchmal schmerzt. Es braucht manchmal Mut, sich zu öffnen, über Ängste und Bedürfnisse zu sprechen. Das gilt für alle Beteiligten. Die Betroffenen befürchten, „schon wieder Stress zu machen“, die Partner*innen sorgen sich, dass ihre Bedürfnisse ja „nicht so wichtig“ wie die Schmerzen der Partnerin seien. Kommunikation ist das beste Mittel, das diesen Kreis durchbrechen kann.

Wenn Sie sich von anderen Menschen Hilfe wünschen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • In unserer Beratungsstelle können Sie als Betroffene und/oder Partner bzw. Partnerin ein kostenloses Gespräch in Anspruch nehmen.

  • Bei Psychotherapeut*innen oder Ehe- und Familienberatungsstellen an Ihrem Wohnort können Sie alleine oder gemeinsam Unterstützung suchen.

  • Innerhalb unserer Endometriose-Vereinigung und in den regionalen Selbsthilfegruppen können Sie mit anderen sprechen, denen es ähnlich geht.

  • In der Endometriose-Rehaklinik Bad Schmiedeberg und am Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss bietet Prof. Matthias Korell mehrmals im Jahr Partner-Workshops an. Informationen zu den nächsten Terminen für die Partner-Kurse finden Sie für Bad Schmiedeberg online bzw. können für Neuss telefonisch erfragt werden 02131/52955002.

Endometriose und Sexualität

Vorbemerkung: Wir wissen, dass es unendliche Möglichkeiten gibt, Sexualität zu leben. Ein Text, der allgemeine Aussagen trifft, kann nicht jeder Variante gerecht werden.

Viele Betroffene berichten, dass sich Endometriose und Adenomyose auf ihre Sexualität auswirken und diese beeinträchtigen. Das liegt sowohl an den körperlichen als auch an den psychischen und sozialen Auswirkungen der Krankheit. In Phasen körperlicher Schmerzen kann die Lust auf körperliche Nähe allgemein und Sex im Speziellen gering sein. Unterbauchschmerzen, wie sie oft bei Endometriose und Adenomyose vorkommen, verstärken dies noch. Zusätzlich können Endometriose-Herde Schmerzen beim penetrierenden Sex verursachen.
Endometriose- und Adenomyose-Herde können Beschwerden an den Gebärmutterhaltebändern, im Douglasraum, in der Scheide und Scheidenwand, in der Gebärmutter, am bzw. in der Nähe des Darms und an den Eierstöcken verursachen. Hinzu kommt, dass auch Verwachsungen zu Unannehmlichkeiten führen können. [1, 3] Während der sexuellen Erregung kommt es zur Schwellung der Organe und einem Pulsieren in Gebärmutter und Becken. Dieser Umstand kann, neben dem physikalischen Anstoßen an Herde oder Verwachsungen, Beschwerden hervorrufen. [2] Dies ist jedoch individuell verschieden, bei manchen verursachen Vernarbungen und Endometriose-Herde immense Schmerzen und bei anderen wiederum nicht. Hierfür gibt es bisher keine Erklärungen. Auch eine Organentnahme kann zu einer völlig neuen anatomischen Situation im Becken führen und dadurch Auswirkungen auf das Erleben der eigenen Sexualität haben. Die Schmerzen können auch zeitverzögert auftreten – zum Teil auch erst 1 bis 2 Stunden nach dem sexuellen Akt, inklusive Selbstliebe/Masturbation. Eine Erklärung dafür ist: Mit der sexuellen Erregung und dem Orgasmus werden Endorphine ausgeschüttet, welche schmerzstillend bzw. schmerzleitungsblockierend wirken. Diese körpereigenen „Painkiller“ bauen sich aber nach und nach ab, so dass dann der Schmerz die Oberhand bekommt und spürbar wird. [4] Anders ist es bei Beschwerden, die während dem sexuellen Akt in anderen Körperbereichen (bspw. Beine oder Oberkörper) wahrgenommen werden. Hierfür gibt es bisher keine genaue Erklärung. Es wird jedoch vermutet, dass es durch das Zusammentreffen der Nervenstränge im zentralen Nervensystem zum sogenannten „Ausstrahlen“ in die Bereiche kommen kann. Weitere häufig geschilderte Probleme sind u. a. Scheidentrockenheit, verminderte sexuelle Lust, verändertes Allgemeinbefinden, Gewichtsprobleme, Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmungen. Diese treten oft als Nebenwirkung von Hormontherapien auf und können, genauso wie ein erschwertes Eintreten von Schwangerschaft, weitere bestimmende Faktoren sein, wie man Sexualität erlebt.

Sexualmedizin

Zum Bereich Sexualität und Endometriose gibt es eine nur unbefriedigende Datenlage in der Forschung. Alle Betroffenen, die Beschwerden beim Sex haben, sollten diese ernst nehmen und den behandelnden Endometriose-Spezialist*innen unbedingt mitteilen. Gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt kann dann überlegt werden, welche Therapiemöglichkeiten passend sein können.

In der Sexualmedizin werden sexuelle Probleme aus folgenden Perspektiven betrachtet:

  • Wie ist das Zusammenspiel von Biologie, Psyche und Sozialem im Körper?

  • Welche Funktion hat die Sexualität für die Person bzw. welche davon steht im Vordergrund: Lust? Fortpflanzung? Beziehung?

  • Wie ist die Person sexuell orientiert? Welche Ausrichtungen und Neigungen hat sie?

  • Was denkt eine Person über sich selbst als sexuelles Wesen? Welche Fantasien hat sie und wie verhält sie sich?

  • Welche Formen der Sexualität kommen zum Einsatz bzw. sind erwünscht: Selbststimulation, extragenitale und genitale Stimulation?

Sexualtherapie

Sexualität ist aber mehr als nur der reine Geschlechtsakt an sich: Jeder Mensch ist ein sexuelles Wesen. Sexualität umfasst viele menschliche Bedürfnisse, wie Liebe, Geborgenheit, Vertrauen, Zärtlichkeit, Lust und Befriedigung. Die Sexualtherapie nimmt dabei - ergänzend zur Sexualmedizin - folgende Aspekte unter die Lupe:

  • Mythen und Glaubenssätze: Was denkt die Gesellschaft, wie Sexualität sein sollte? Was denke ich darüber?

  • Wie ist meine sexuelle Entwicklung?

Auch hier wird die Frage nach den Funktionen der eigenen Sexualität aufgegriffen: Geht es mir darum, Sex zu haben,...:

  • ...weil ich Lust verspüre?

  • ...um Kinder zu bekommen?

  • ...um meine Beziehung zu pflegen?

  • ...um meine Identität (bspw. als Frau oder attraktives Wesen) zu bestätigen?

In einer Sexualtherapie gibt es verschiedene Arten sich helfen zu lassen. Gemeinsam werden durch Gespräche, Übungen und Hausaufgaben Körper, Gefühle, Gedanken und Beziehungen erkundet. Die Therapie kann einzeln oder auch als Paar (oder in anderen Beziehungskonstellationen) gemacht werden.

Dabei wird alles als eine Momentaufnahme in der sexuellen Biografie, die immer weiter geht, gesehen. Hierin liegt auch die Chance des Ansatzes für Endometriose-Patientinnen: Es geht darum, sich das Hier und Jetzt bewusst zu machen mit all den eigenen Einschränkungen bzw. Möglichkeiten, Glaubenssätzen, Gefühlen und Fantasien, um sich und die eigene Sexualität neu oder anders zu entdecken.

Die Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft (DGSMTW) hat auf ihrer Webseite eine Liste zertifizierter Behandler*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Zusammenfassung

  • Beschwerden in der Sexualität sollten ernst genommen und mit der Endometriose-Spezialistin oder dem Endometriose-Spezialisten besprochen werden.

  • Kommunikation ist wichtig: mit sich selbst/dem eigenen Körper UND der Partnerin oder dem Partner. Dabei sollte sich über Beschwerden und die daraus oftmals resultierenden Ängste in Bezug auf die Sexualität und Partnerschaft ausgetauscht werden.

  • Eine Paar- oder Sexualberatung kann Unterstützung leisten.

  • Sexualität hat zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Funktionen. Es lohnt sich zu schauen, welches Bedürfnis im Vordergrund steht und das zu kommunizieren.

  • Endometriose mit Beschwerden beim Sex ist eine Herausforderung, die zum Umdenken und neuen Kennenlernen des eigenen Körpers führen kann. Es macht Sinn, sich neue Räume, Wege und Praktiken zu erobern.

  • Menschen mit Endometriose sollten erkunden, was sie schön finden und was sie erregt – ggf. erst für sich allein und dann auch in der Partnerschaft.

  • Bei den Praktiken gilt: Erlaubt ist, was gefällt und guttut. Hier sind der Fantasie an Stellungen und Alternativen keine Grenzen gesetzt. Einzige Einschränkung ist die Schonzeit nach einer OP oder im Rahmen von Kinderwunschbehandlungen.

Netzwerk Endometriose, Sexualität und Partnerschaft

Der Wunsch nach Informationsvermittlung und Enttabuisierung führte zu einer neuen Initiative: der Gründung des „Netzwerkes Endometriose, Sexualität und Partnerschaft“ im September 2021 von einem multiprofessionellen Team aus engagierten Fachkräften und Betroffenen.

Logo Netzwerk Endometriose, Sexualität und Partnerschaft

Das „Netzwerk Endometriose, Sexualität und Partnerschaft“ hat sich zum Ziel gesetzt, Aufklärung, Informationsweitergabe und Wissensvermittlung voranzutreiben, sowohl für Fachkräfte und für Betroffene sowie deren Partner*innen. Geeignetes Informationsmaterial soll entwickelt und zugänglich gemacht werden. Das Thema Endometriose und Sexualität soll zunehmend in den Kontext von Einzel-, Paar- und Sexualtherapie eingebunden werden. Des Weiteren streben wir die Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachärzt*innen, Therapeut*innen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfegruppen an.

Mitglieder des Netzwerkes sind aktuell (alphabetisch): Dr. Angelika Eck (Karlsruhe), Dr. Laura Hatzler (Berlin), Prof. Dr. Matthias Korell (Neuss), Katja Materne (Berlin), Johanna Netzl (Berlin), Margareta Schmitt (Kassel), Julia Stahl (Frankfurt/M.), Katharina van Stein (Heidelberg), Dr. Mareike Stiel (Hamburg), Lena Ullinger (Karlsruhe), Birte-Kerstin Walter (Berlin), Prof. Dr. Tewes Wischmann (Heidelberg). 

Die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. fungiert als Schirmherrin des Netzwerkes.

Projekte

Im Jahr 2022 wurde, angeregt durch das Netzwerk, an der Universität Heidelberg eine Studie durchgeführt, um hilfreiche Aspekte und Ressourcen bei Endometriose-Betroffenen und ihren Partner*innen zu untersuchen. Die Erfassung der relevanten Lebensbereiche bezog sich bei der Studie ebenfalls auf den Bereich der Sexualität. Unser Netzwerk und die Auswertung einer ersten Zufallsstichprobe der Studie haben wir auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) vom 12. – 15. Oktober 2022 in München einem sehr interessierten Fachpublikum vorgestellt.

Das „Netzwerk Endometriose, Sexualität und Partnerschaft“ vollendete im September 2023 die im Vorjahr begonnene intensive Arbeit an der Broschüre „Endometriose, Sexualität und Partnerschaft“. Diese richtet sich sowohl an Fachkräfte als auch an Betroffene und ihre Partner*innen, um einen leicht verständlichen, niedrigschwelligen Zugang zur Thematik zu schaffen und Wissen sowie Anregungen zur Selbsthilfe zu vermitteln. Darüber hinaus werden Hinweise gegeben, an welchen Stellen sich die Betroffenen gegebenenfalls umfassendere Unterstützung holen können.

Broschüre

Das „Netzwerk Endometriose, Sexualität und Partnerschaft“ vollendete 2023 die intensive Arbeit an der Broschüre „Endometriose, Sexualität und Partnerschaft“. Diese richtet sich sowohl an Betroffene und ihre Partner*innen als auch an Fachkräfte, um einen leicht verständlichen, niedrigschwelligen Zugang zur Thematik zu schaffen und Wissen sowie Anregungen zur Selbsthilfe zu vermitteln. Darüber hinaus werden Hinweise gegeben, an welchen Stellen sich die Betroffenen gegebenenfalls umfassendere Unterstützung holen können.

Referenzen

  1. AWMF-S2k-Leitlinie Nr. 015-045: Diagnostik und Therapie der Endometriose (2020).

  2. Engel-Széchényi, Roswitha (2023). Partnerschaft und Sexualität. In: Becherer, E. und Schindler, A. E. (Hrsg.). Endometriose ganzheitlich verstehen und behandeln. Ein Ratgeber (4., erweiterte und überarbeitete Auflage).

  3. Mechsner, Sylvia (2021). Endometriose. Die unterschätzte Krankheit. ZS-Verlag, München.

  4. Wagner, Vivian Vanessa (2023). Leben mit Endometriose. Selbsthilfe bei Schmerzen und praktische Tipps für den Alltag. Südwest-Verlag, München.